Dawud Gholamasad

Die Lehren aus der Regierungskrise Frankreichs: Verfassungsimmanente Krisenpotenziale des Semipräsidialsystems

 

Frankreich hat bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli 2024 zwar mehrheitlich links gewählt, erhielt jedoch trotz massiver Proteste eine Mitte-Rechts-Regierung. Die Linke war zwar als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen, konnte jedoch keine eigene Mehrheit aufbauen, um einen Premierminister zu stellen. Daher sieht die Linke in Michel Barnier einen Regierungschef „von Le Pens Gnaden“ und wirft Präsident Macron einen „Staatsstreich“ vor. Denn auch die anderen politischen Lager konnten keine eigene Mehrheit erreichen.

Angesichts dieser Pattsituation und der fehlenden Koalitionskultur in Frankreich ernannte Präsident Macron den konservativen Ex-EU-Kommissar Michel Barnier zum Premierminister. Nachdem der rechtspopulistische „Rassemblement National“ von Marine Le Pen auf ein Misstrauensvotum gegen den neuen Premier verzichtete, entstand eine Mitte-Rechts-Regierung. Diese hielt jedoch nicht einmal drei Monate. Frankreich steckt nun wieder in einer Regierungskrise, sodass Präsident Macron erneut einen neuen Premierminister suchen muss.

Internationale Medien machen vor allem Emmanuel Macron für den Sturz der Regierung verantwortlich. Diese Personifizierung der Krise, die als Fehleinschätzung Macrons gedeutet wird, übersieht jedoch die verfassungsimmanenten Krisenpotenziale des semipräsidentiellen Regierungssystems Frankreichs.

Ein ähnliches Krisenpotenzial war bereits im Verfassungsentwurf der „Islamischen Republik Iran“ angelegt, der in vielen Aspekten dem französischen System nachempfunden war. Dem Entwurf wurde jedoch nachträglich die „absolute Schriftgelehrtenherrschaft“ hinzugefügt. Der Konflikt zwischen dem damaligen Präsidenten Khamenei und Ministerpräsident Mussavi war ein Resultat dieser Krisenpotenziale, der durch die Entscheidung des „charismatischen Führers“ Khomeini zugunsten Mussavis beigelegt wurde.

Aus diesen Beispielen lassen sich Lehren für die zukünftige Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit des Iran nach dem Sturz der „Islamischen Republik“ ziehen.1 Diese Lehren betreffen insbesondere das semipräsidentielle Regierungssystem, das auch in Frankreich krisenanfällig ist:

Das semipräsidentielle System vereint Elemente des parlamentarischen und des präsidentiellen Regierungssystems. Die Regierung hängt sowohl vom Vertrauen des Staatspräsidenten ab als auch von der Mehrheit im Parlament. Daher kann man es auch als präsidial-parlamentarisches System bezeichnen.

1 Vergl. meine Diskussionsgrundlage der demokratischen Opposition: https://gholamasad.jimdofree.com/artikel/die-diskussionsgrundlage-einer-aktionseinheit-der-demokratischen-opposition/

2

Es ist eine Mischung beider Systeme: Wie im Präsidialsystem wird der Staatspräsident vom Volk gewählt und kann die Regierung bilden ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Parlaments nehmen zu müssen. Dennoch muss er, wie in den USA, mit dem Parlament zusammenarbeiten, da dieses über die Gesetzgebung entscheidet. Im Gegensatz zum parlamentarischen System, wie etwa in Großbritannien oder Deutschland, hat der Präsident im semipräsidentiellen System nicht nur repräsentative Aufgaben. Er hat auch eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung. So wird der Premierminister in Frankreich vom Präsidenten ernannt, kann jedoch durch ein Misstrauensvotum der Nationalversammlung gestürzt werden. Die Regierung ist also vom Vertrauen beider Instanzen abhängig. Der Präsident hat dabei gegenüber der Regierung einen erheblichen Einfluss, da er an der Spitze der Exekutive steht.

Diese Kombination macht das semipräsidentielle System anfälliger für Krisen als die beiden anderen Systeme, da es nicht nur von der schriftlichen Verfassung abhängt, sondern auch von der Verfassungswirklichkeit und den politischen Gepflogenheiten. So schreibt die Verfassung in der Regel vor, dass der Präsident die Regierungsmitglieder ernennt, diese jedoch vom Parlament bestätigt werden müssen. Auch kann das Parlament die Regierung stürzen. In einem semipräsidentiellen System kann es daher in der Praxis durchaus zu einer parlamentarischen Regierungspraxis kommen, da der Präsident in der Regel niemanden ernennt, der das Vertrauen des Parlaments nicht besitzt. Probleme entstehen jedoch, wenn keine Fraktion im Parlament über eine ausreichende Mehrheit verfügt und keine Koalitionsbereitschaft besteht.

Die Verfassungswirklichkeit hängt stark davon ab, ob der Präsident und die Parlamentsmehrheit dem gleichen politischen Lager angehören oder ob eine Koalition ihn unterstützt. In solchen Fällen ist der Präsident der klare politische Führer, der den Regierungschef auswählt. Dabei muss er jedoch auch die Wünsche der im Parlament unterstützenden Parteien berücksichtigen.

Im Extremfall kann der Präsident gezwungen sein, eine „Cohabitation“ – das schwierige Zusammenleben der beiden politischen Lager – zu akzeptieren, wenn er politisch realistisch ist. Ein solcher Fall trat erstmals 1986 ein, als der sozialistische Präsident François Mitterrand aufgrund einer Mehrheit der Liberalen und Konservativen im Parlament den Konservativen Jacques Chirac zum Premierminister ernannte. In der Außenpolitik konnte der Präsident jedoch weiterhin eigene Akzente setzen. Eine „Cohabitation“ gab es noch in den Jahren 1993-1995 und 1997-2002.

Gerade anhand der aktuellen Krise in Frankreich wird jedoch die systemimmanente Krisenanfälligkeit des semipräsidentiellen Systems deutlich. Es ermöglicht keine beständige und klar unterscheidbare Regierungspraxis zwischen parlamentarischem und präsidentiellem System. Vielmehr wechseln sich Phasen einer präsidentiellen Regierungspraxis – bei politischer Übereinstimmung zwischen Präsidenten und Parlamentsmehrheit – und Phasen einer parlamentarischen Regierungspraxis während der Cohabitation ab. Die zunehmende Polarisierung in Frankreich und die zunehmende Lagermentalität erschweren ein „Zusammenleben“ der politischen Lager zunehmend.

Hannover, 11.12.2024

Zu Kommunikationsaspekten der Organisationsprobleme der iranischen Oppositionellen als ein Nachhinkeffekt des sozialen Habitus

 
 

"Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel." (Paul Watzlawick)

 

 

In diesem Beitrag möchte ich die Kommunikationsprobleme diskutieren, die möglicherweise der Verständigung der Opposition zur Bildung einer „demokratischen Nationalfront“ gegen die klerikale Herrschaft im Wege stehen. Diese Verständigungsprobleme ergeben sich entlang der Hauptspannungsachsen, die sich vor allem in Missverständnissen und Kooperationsproblemen der oppositionellen Gruppen manifestieren. Dabei sind neben den Inhaltsaspekten der Kommunikation vor allem die Beziehungsaspekte der Kommunikation der oppositionellen Gruppen sehr störend. Denn nicht nur in einer Face-to-Face-Situation enthält jede Mitteilung neben ihrem Sachinhalt auch Informationen darüber, wie sie vom Empfänger verstanden werden sollen und welche Gefühle und Bewertungen beim Kommunikator gegenüber dem Rezipienten vorhanden sind. Diese störenden Gefühle und Selbstwertbeziehungen sind Nachhinkeffekt des sozialen Habitus der involvierten Gruppen. Die Art, wie sie denken, fühlen und handeln hinkt der funktionellen Transformation ihrer Beziehungen als Staatsbürger hinterher.

 

Deswegen sind mit Paul Watzlawick[1]folgende vier Schritte zur Problemlösung wichtig:

 

1.      Zunächst muss das Problem definiert werden. Hierbei muss zwischen echten und Pseudoproblemen unterschieden werden. Sicherlich liegt das Problem nicht darin, dass die bestehenden Gruppierungen, weil Interessen geleitet, für die nachrevolutionäre Konkurrenz geeignet wären. Denn Republikaner, Monarchisten und Föderalisten könnten genauso gut mit einander für die Überwindung der „Islamischen Republik“ koalieren wie die Sozialdemokraten und Neoliberalen. Das ist ja der Sinn jeder Koalition, durch Konzentration auf Gemeinsamkeiten für die Herstellung der Bedingung der Konkurrenzmöglichkeiten unter einander zu sorgen. Sonst bräuchte man keine Koalition, wenn jede Gruppe für sich allein dazu in der Lage wäre. Ein exemplarisches Beispiel einer solchen erfolgreichen Koalition bietet die „Iranische Nationalfront“ unter der Führung von Dr. Mohammed Mossadegh. Durch eine Koalition konkurrierender Parteien konnte nämlich das iranische Parlament im März 1951 beschließen, die Erdölindustrie zu verstaatlichen und die „Anglo-Iranian Oil Company“ (AIOC), ein einseitiges Joint Venture zugunsten der Briten, entschädigungslos zu enteignen.

Wenn man aber diese Möglichkeit negiert, beabsichtigt man, einer Gruppe von „Persönlichkeiten“ die Auslandsvertretung der revolutionären Bewegung zu überlassen, die sich um „den Prinzen“ scharen. Damit hat man zwar ein Scheinproblem gelöst, aber die Schaffung einer zentralen Führungsorganisation für die dezentral organisierten revolutionären Bewegungen verfehlt, die sie wirkungsmächtig zielführend steuern könnte. Dazu fehlt dieser „Führungsgruppe“ ohne die Beteiligung der Vertreter der lokalen Bewegungen jede Wirkungsmöglichkeit. Eine Fernsteuerung dieser Bewegungen ist nur möglich, wenn die lokalen Gruppen authentisch vertreten werden.

 

2.      Der zweite Schritt ist, die bisherigen Lösungsversuche zu untersuchen und zu sehen, ob die Probleme nicht durch Fehllösung entstanden sind. Die überparteilichen und personenzentrierten Versuche scheiterten bis jetzt, weil sie einer nachrevolutionären Demokratisierung im Wege stehen. Dies wird durch die Parolen der antiautoritären Bewegungen gegen jegliche persönliche Herrschaftsform, „sei es Mulla oder Schah“, unmissverständlich hervorgehoben. Eine Demokratisierung der Führungsorganisation ist bisher auch gescheitert, weil ein demokratisches Vorbild im Nahen und Mittleren Osten von allen Sponsoren der Massenmedien gefürchtet wird, die gegenwärtig die „Sprachspiele“ (Wittgenstein) der Öffentlichkeit kontrollieren. Sie sind zwar inzwischen alle an einem Sturz der für sie bedrohlich gewordenen klerikalen Herrschaft interessiert; ein demokratisches Vorbild könnte nämlich auch für sie gefährlich werden. Man sollte dabei nicht die Interessen jener Kräfte außer achtlassen, die mit dem Expansionismus der „Islamischen Republik“ als einer permanenten Drohkulisse für die arabischen Länder nicht nur Milliarden durch Waffengeschäfte verdienen, sondern auch mit dem „Abraham-Abkommen“ praktisch die Dominanz Israels als Schutzmacht im Nahen und Mittleren Osten garantiert haben. Sie alle unterstützen jene Aspiranten, deren exemplarisches Beispiel keine Demokratisierungswünsche in Nahen und Mittleren Osten auslösen würde.

 

3.      Darauf folgt die Formulierung von Zielen bzw. Lösungen. In diesem Schritt sollte man Utopien und vage Lösungen natürlich nicht berücksichtigen. Dazu habe ich bereits einen Beitrag verfasst, der durch folgenden Linkaufrufbar ist:

„Die Diskussionsgrundlage einer Aktionseinheit der demokratischen Opposition für die Überwindung jeglicher Form der individuellen und gruppenspezifischen Diktatur in Iran und zur Etablierung eines säkularen demokratischen Sozialstaates“. (https://gholamasad.jimdofree.com/artikel/die-diskussionsgrundlage-einer-aktionseinheit-der-demokratischen-opposition/)[2]

 

4.      Zu guter Letzt werden die Planungen durchgeführt. Dazu wäre ein Treffen der Vertreter aller existierenden demokratischen oppositionellen Organisationen im Ausland sowie derbeauftragten Vertreter der im Iran aktiven Stadtteilräte in allen Provinzen sowie aller zugänglichen „Koordinationsräte“ der streikenden Arbeiter, der Lehrer, der Rentner usw. unabdingbar. Daraus könnte ein überregionaler „Koordinierungsrat“ entstehen. Dieser sollte auf der Grundlage einer vereinbarten „Aktionseinheit“ zur Überwindung der „Islamischen Republik“ nach „Konsensdemokratischen Prinzipien“ Richtlinienkompetenz bekommen und die Koordinierungsaufgaben sowie Botschafterfunktion der revolutionären Bewegung übernehmen.

 

Dazu müssen die Voraussetzungen einer gelungenen Kommunikation geschaffen werden

 

Meine zentrale These besteht darin, dass die oppositionellen Kräfte bis jetzt keine gemeinsam kommunizierbare Sprache gefunden haben. Denn die Sprache ist die Welt, wie wir sie erfahren. Die erfahrene Welt ist die Gesamtheit der sozial konstruierten Tatsachen. Diese bestehen aus Bildern, die sich Menschen von der Realität machen. „Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit“. (Wittgenstein). Dieses Orientierungsmittel kann mehr oder weniger derRealität angemessen sein, wenn die Bilder nicht aus bloßen Phantasiebildern bestehen. Um die Angemessenheit der Bilder zu überprüfen, müssen wir sie mit der Realität vergleichen. Dazu bedarf eseiner gewissen emotionalen Distanzierungsfähigkeit, die „Rationalität“ genannt wird. Ohne diese gemeinsame Distanzierungsfähigkeit und die sich daraus ergebende Empathie ist das „implizite Gedächtnis“ Verhalten und Erleben steuernd, ohne dabei ins Bewusstsein zu treten.Im Unterschied zum expliziten Gedächtnis, das unter anderem das autobiographische oder Episodengedächtnis enthält, könnenimplizite Gedächtnisinhalte schwerlich verbalisiert werden.

 

Die Wirkung eines impliziten Gedächtnisses manifestiert sich unter anderem mit „Priming-Effekten“. Wenn ein Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert, kann dadurch die Verarbeitung eines nachfolgenden Reizes beeinflusst werden. So kann ein Wort (z.B. „Kurde“) durch Assoziation unbewusst ein Wortfeld („Föderalismus“) aktivieren, sodass ein zweites Wort („Separatist“) schneller oder leichter erkannt wird. Mit dieser Art der kognitiven Verarbeitung eines Reizes wie „Kurde“ ist also eine emotionale Bewertung des gefürchteten „Separatismus“ verbunden. Mit diesen Furchtbildern entsteht ein „Teufelskreis“ bzw. ein „Doppel-Binder-Prozess“. Mit dem Verlust der emotionalen Distanzierungsfähigkeit eskalieren die Gefahren der Missverständnisse und die Rückkoppelung der Feindseligkeiten, die jede Kommunikation stören würden. Damit scheitert jede Kooperation, da keine Kooperation ohne Kommunikation möglich ist.

 

Da keine Organisation ohne Kooperation möglich ist, scheitert jeder Organisierungsversuch  an die fehlenden gemeinsamen „Sprachspiele“ (Wittgenstein), ohne die keine Kommunikation  möglich ist, wie ein Schachspiel ohne seine Regeln. Solange keine neuen gemeinsamen Sprachregelungen angeeignet werden, ist das Scheitern der Opposition ein Nachhinkeffekt ihres sozialen Habitus, ihres Denkens, Fühlens und Handelns. Denn: “Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ (Wittgenstein) Dieser Gebrauch ist kontextabhängig. Deswegen kann ein Wort wie z.B. die Bank kontextabhängig unterschiedliche Bedeutungen haben. Die vor- und nachrevolutionären zentralstaatlich geprägten stigmatisierenden Vorstellungsbilder von ethnischen Gruppierungen sindexemplarische Beispiele der Sprachregelung, wodurch die Betonung der ethnischen Zugehörigkeit als bedrohlich empfunden wird.

 

Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Kurden als Beispiel aus mehreren Gründen: 1. Die regional dominierenden Ethnien in Kurdestan und Belutschistan haben durch die Kontinuität und das Ausmaß ihrer Kampfbereitschaft zur Überwindung der „Islamischen Republik“ nicht nur beispielhaft den Stellenwert der regionalen Disparität der Entwicklung und der sie begleitenden Außenseitererfahrungen und Diskriminierungen für die revolutionäre Erhebung gezeigt. Sie haben auch die mögliche Gestaltungmöglichkeit und Notwendigkeit der horizontalen Demokratisierung zu ihrer Überwindung demonstrativ hervorgehoben 2. Diese Tatsache legt außerdem nahe  eine dezentrale Organisation der revolutionären Erhebungen und die Notwendigkeit ihrer regionalen und überregionalen Koordination als einzige Organisationsperspektive der Revolution, die ohne Zustimmung der regional führenden Aktivisten unmöglich wäre. Ohne die regionale und überregionale Koordination der revolutionären Aktivitäten ist keine Überwindung der „Islamischen Republik“ möglich. Nur durch die Koordination der dezentral agierenden Aktivisten entsteht die organisationelle Voraussetzung der Überwindung und der demokratischen Ersetzung der „Islamischen Republik“.

 

Worum geht es bei der Organisierung der demokratischen Opposition?

 

Der gegenwärtige Organisationsgrad der Opposition hinkt der Entwicklungsstufe der revolutionären Erhebung hinterher. In der Regel glauben einige immer noch, dass dies auf fehlende Integrationsfiguren zurückzuführen sei. Deswegen versuchen sie vergeblich eine solche Figur oder Figuren herbeizuzaubern. Da angesichts der antiautoritären Bewegungen charismatische Führerfiguren suspekt erscheinen, versucht man sie durch eine Gruppe vonCelebrities“ und Fachkräften zu ersetzen, die mit ihrer Fachkompetenz die bestehenden Probleme fachkundig an der Seite derCelebrities“ zu lösen in der Lage seien. Zudem sollen unzählige „Startups“ Schlange stehen, die bereit wären in Kooperation mit ihnen Milliarden in die Zukunft des Landes zu investieren. Damit sollen die von dem „Prinzen“ geführtenCelebrities“ mit der Unterstützung der Technokraten und Unternehmer die revolutionäre Bewegung erfolgreich führen – dies ist die letzte  Lösungsstrategie, die denjenigen vorschwebt, die glauben,dass die existierenden oppositionellen Organisationen nur für die nachrevolutionäre Phase geeignet seien. Sie wären gegenwärtig nichtin der Lage, erfolgreich zu agieren, weil sie anscheinend nur für den Konkurrenzkampf um alternative Systeme geschaffen worden sind. Sie sollen warten müssen, bis die Voraussetzungen dafür durch die Technokraten, Bürokraten und „Startups“ um die „Celebrities“ für die Rahmenbedingungen geschaffen sind. Eine basisdemokratische Lösung kommt ihnen anscheinend nicht in den Sinn. Sie wollen immer noch nicht wahrhaben, dass die heutige soziale Differenzierung der Gesellschaft anderen Organisationsprinzipen folgt.

 

Dies ist die Folge der Fixierung auf tradierte Vorstellungen der Organisation der Reproduktionsbedingungen der Gesellschaft, die sich über Jahrhunderte bewährt hatte. Es fällt den Vertretern dieser Position anscheinend schwer zu begreifen, dass die althergebrachte Organisationsform nicht mehr zeitgemäß ist. Für diese Organisationsform fehlen außer nostalgischen Erinnerungen daran die strukturellen Voraussetzungen einer archaischen Gesellschaft mit tribalen Strukturen, die durch die Modernisierungsprozesse nicht mehr gegeben sind. Die hochgeschätzte Vorstellung vom „König der Könige“ (Schahinschah), die die Existenz von lokalen „Fürsten“ bzw. „Khans“ voraussetzt, entspricht nicht mehr der hoch differenzierten Gesellschaft von heute. Die funktionell modernisierte Gesellschaft ist durch die Auflösung der Stämme und Zersetzung der über fünfzigtausend Dörfer durch die Landreform entstanden. Was übrig geblieben ist, ist eine Massengesellschaft, die dank der diktatorischen Herrschaftsformen keine zivilgesellschaftlichen Organisationschancen hat. Die einzig übrig gebliebenen Organisationsformen sind die Primärgruppen wie Familien und Verwandtschaftsbeziehungen sowie funktionelle Organisationsformen der privaten und staatlichen Unternehmen. Diese Massenindividuen bedürfen  zivilgesellschaftlicher Organisationen, damit sie als Staatsbürger handeln und Träger einer Demokratisierung der modernisierten Staatsgesellschaft werden können. Eine revolutionäre Bewegung muss diesen Bildungsprozess als soziale Basis einer demokratischen Führungsorganisation mitgestalten, die die demokratische Alternative repräsentieren soll. Sonst entsteht ein Populismus, der mit einer Massenpsychologie nur autoritäre Herrschaftsformen hervorbringen kann.

 

Was bedeutet Organisation?

 

Um die bestehenden Organisationsprobleme zu begreifen, ist die Einsicht in die Notwendigkeit der modernisierten Kommunikationsstrukturen entscheidend, da keine Organisation ohne Kommunikation möglich ist. Damit ist auch die Überwindung des noch vorherrschend kommunizierten Organisationsbegriffes unabdingbar, um die bestehenden Organisationsprobleme als ein Nachhinkeffekt des sozialen Habitus zu begreifen. Solange die Wandlung der althergebrachten Denkweise den veränderten Realitäten hinterherhinkt, bestehen Organisationsprobleme. Dies ändert sich durch eine Veränderung der Sprachregelung, da die Sprache das Vehikel des Denkens ist. Man denkt nur durch und in einer Sprache, die gesprochen wird. Die Sprache ist die Lebensform der Menschen, die sie sprechen. Ihre gelebte Sprache konstruiert eine Realität, in der ein gebrauchtes Wort seine Bedeutung erhält. Die Transformation der Realität bedarf also der Transformation der angeeigneten Sprache zur angemessenen Erfassung der gelebten Realität. Die Realität ist ein Prozess; sie bedarf also zu ihrer Erfassung der Prozesskategorien.

 

Der Begriff der Organisation ist eine zustandsreduzierte Vorstellung vom Organisieren. Als kontinuierliche Tätigkeit ist Organisieren das planvolle Gestalten mit Hilfe von Personal und Organisationsmitteln. Auf diese Weise entsteht die Organisation als Resultat der Tätigkeit des Organisierens als ein Prozess. Sie ist ein erinnertes Wandlungskontinuum, das als bestimmtes Verhaltens- und Erlebensmuster institutionalisiert wird. Der sozialwissen­schaft­liche Organisationsbegriff bezieht sich auf alle zielstrebigen menschlichen Gemeinschaften bzw. Figurationen, die Menschen miteinander bilden, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Sie unterscheiden sich von Konfigurationen, die nichtmenschliche Organismen bilden. Nachbarschaften, Verwandtschaften, Freundschaften, Kameradschaften, Beleg­schaf­ten, Genossenschaften, Gewerkschaften, Studentenschaften, Bürgerschaften usw. sind Figurationen, die Menschen in ihren unterschiedlichen sozialen Funktionen miteinander bilden. Sie sind Reproduktionsformen der Beziehungen interdependenter Menschen in ihren vielfältigen Funktionen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse. Mit der sozialen Differenzierung der Gesellschaft, die sich aus der zunehmenden Arbeitsteilung in Modernisierungsprozessen ergibt, entstehen neue soziale Integrationsformen. Sie sind die neuen Organisationsformen, deren Entwicklung gegenwärtig im Iran der sozialen Differenzierung hinterherhinkt. Diese Formbestimmung ist bislang sprachlich noch so geprägt und der Realität unangemessen solange, sich die Menschen ihrer veränderten Rolle nicht bewusst werden. Gegenwärtig sind wir also im Iran mit diesem Organisationsproblem konfrontiert, dessen Lösung einen angemessenen, nichttechnokratischen Organisationsbegriff erforderlich macht.

 

In diesem Sinne werden auch Personenvereinigungen wie politische Parteien oder formale Gestaltungen etwa das Wirtschaftsunternehmen davon erfasst, unter deren Normen die Menschen zumeist zunächst  formell subsumiert sind. Eine reelle Subsumption der Menschen bedarf der Transformation der Art, wie sie der funktionellen Veränderung entsprechend denken, fühlen und handeln. Ein Arbeiter kann z.B. nur formell unter Normen abstrakter Arbeit subsumiert sein, solange er Normen abstrakter Arbeit noch nicht verinnerlicht hat. Sie bleiben ihm äußerlich, die als Fremdzwänge erlebt werden. Er erlebt sie noch nicht als das Verhalten steuernde Selbstzwänge. Zur reellen Subsumtion unter Normen abstrakter Arbeit bräuchte er eine Transformation der erworbenen Sprache, der Emotionen und des Gewissens, die ihm nur bestimmte Verhaltensmuster zulassen.

 

Trotzdem sind sie unterschiedliche Figurationen, die Menschen zum Zweck der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse miteinander bilden. Prozessual betrachtet bezieht sich die Organisation also auf die figurationsbestimmende Arbeit des Organisierens in Handlungsgemeinschaften, d. h. das Verteilen von Aufgaben auf Organisationsmitglieder (Arbeits­teilung) und deren Ausrichtung auf übergeordnete Ziele (Koordination). Wer diese arbeits­teilige Kooperation zielgerichtet koordiniert, führt die Organisation. Die Organisations­füh­rung wäre also ohne erfolgreiches Dirigieren der funktionsteiligen Kooperation der Tätigkeiten, Management genannt, unmöglich. Wer also organsiert, führt. Diese Führung ist kein Geburtsrecht. Keine ererbte Reputation kann diese qualifizierte Tätigkeit der Wahrnehmung des Organisierens ersetzen. Die Führungsqualität bewährt sich in der Praxis, wozu man mit einer gewissen erwerbbaren Fachqualifikation und einer besonders entwickelten Empathiefähigkeit ausgestattet sein muss. Man wird nicht als Führer geboren, es sei denn, man braucht eine Galionsfigur.

 

Die arbeitsteilige Kooperation der Menschen und ihrer zielgerichteten Koordination ist ohne Kommunikation unmöglich. In diesem Sinne gibt es keine Organisation ohne Kommuni­kation. Wer kommuniziert – verhält sich gleichzeitig. Wer sich verhält - kommuniziert gleichzeitig. Die „Interaktion“ bezieht sich auf das aufeinander bezogene und sich ergänzende innere und äußere Verhalten interdependenter Menschen; sie bezieht sich auf die mentale, emotionale und äußerlich wahrnehmbare Verkehrsform zwischen Personen, die gegenseitig aufeinander angewiesen sind und sich dabei gegenseitig beeinflussen und steuern. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Organisationsprobleme der iranischen Opposition in ihren kommunikationsaxiomatischen Problemen zu suchen. Dabei stören nicht nur die Inhaltsaspekte der Kommunikation sondern auch die Beziehungsaspekte. Da es sich um gegenseitige Beeinflussung und Steuerung handelt, hängen diese Kommunikations­zusam­menhänge von der vorherrschenden Definitionsmacht ab. Denn die Macht ist die Chance, das Verhalten anderer auch gegen deren Willen zu bestimmen. Wer über mehr Machtchancen verfügt, prägt die Kommunikationsabläufe. Die Machtquellen sind allerdings sehr vielfältig. Sie bestehen im Besitz der Mittel zur Befriedigung der (Grund-)Bedürfnisse der Menschen. Dies beginnt mit der Liebe und den Zuwendungen, ohne die kein Mensch überleben kann, und reicht bis zur Gewalt als Ultima Ratio. Allerdings verschiebt sich die Machtbalance, ohne dass man sich der veränderten Machtdifferentiale bewusst wird, ja sogar weiterhin dieselbe Definitionsmacht beansprucht.

 

Definitionsmacht als wesentliches Kommunikationsproblem der Organisierung der Oppositionellen

 

Die Definitionsmacht bezieht sich nicht nur auf Inhaltsaspekte der Kommunikation sondern auch auf ihren Beziehungsaspekt. Dies ist gegenwärtig ein Nachhinkeffekt des sozialen Habitus, zumal die mentale Transformation der Gesellschaft hinter der funktionellen Transfor­ma­tion der Beziehungen entlang den Hauptspannungsachsen der Gesellschaft hinterherhinkt. Die Geschlechter-, Generationen-, ethnische und konfessionelle Konflikte sowie Konflikte zwischen Regierten und Regierenden, Unternehmern und abhängig Beschäftigten sowie zwischen­staatliche Konflikte ergeben sich aus der Ungleichzeitigkeit der Entwicklung der Definitionsmacht entlang der Verschiebung der Machtbalance zwischen den Beteiligten. Die Definitionsmacht bestimmt vor allem die Beziehungsgestaltung der gegenseitig abhängigen Menschen in ihren unterschiedlichen Funktionen. Die Rollenkonflikte sind ihre Folge, die  sich unweigerlich in jeder Kommunikation ergeben kann, zumal man nicht nicht kommunizieren kann, „denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren." (Watzlawick)

 

Man kommuniziert also auch, wenn man nicht verbal kommuniziert, wie z.B. durch Blickvermeidung mit unterschiedlichen kontextabhängigen Bedeutungen. Sie kann sowohl ein Zeichen der Unterwerfung sein als auch des Ignorierens. Sowohl die Unterwerfungsgeste als auch das Nicht-beachten oder das Nicht-zur-Kenntnis-nehmen sind nonverbale Mittel der Kommuni­kation der Macht- und Statusdifferentiale.

 

Diese nonverbale Kommunikation kommt nicht nur in der unmittelbaren Begegnung der Menschen zum Ausdruck, sondern auch in symbolisch vermittelten Beziehungen in der Staatsgesellschaft. Auch Versuche, die Lösung der Integrations- bzw. Organisationsprobleme der Opposition in gemeinsam affektiv besetzten Symbolen wie z.B. Flaggen, „charismatischen Führern“ oder „Celebrities“ zu suchen, sind Formen der symbolisch vermittelten Beziehungs­gestaltung. Dies scheint den Akteuren vorzuschweben, weil keine gemeinsam geteilten Vorstellungen der demokratischen Opposition über die demokratischen Strukturprinzipien des künftigen Staates vorzuliegen scheinen.

 

Daraus ergibt sich, dass die Organisationsprobleme der Opposition nicht nur einen Beziehungsaspekt sondern auch einen Inhaltsaspekt haben, wobei ersterer den letzteren bestimmt.

 

Der Inhaltsaspekt hat die Aufgabe, Informationen zu vermitteln. Dazu braucht die Opposition eine gemeinsame Sprachregelung. Deswegen ist jede Zensur eine Kontrolle der „Sprachspiele“, der Sprache und des Gebrauchs von Wörtern. Wer über die Kommunikations­mittel verfügt, hat die Definitionsmacht - kontrolliert also, was kommuniziert wird und die Bedeutung der gemeinsam geteilten Wörter.

 

Nicht minder wichtig ist die Definitionsmacht beim Beziehungsaspekt. Dadurch enthält jede Mitteilung neben ihrem Sachinhalt auch Informationen darüber, wie sie vom Empfänger verstanden werden soll und welche Gefühle und Bewertungen beim Kommunikator gegenüber dem Rezipienten vorhanden sind. Dies kann etwa durch die Art der Intonation bei verbaler Kommunikation, durch begleitende Gesten oder Mimik (nonverbale Kommunikation) oder auch durch die Wahl des Zeitpunktes für die Mitteilung erfolgen. In gewisser Weise definiert so der Beziehungsaspekt die Beziehungen der Kommunikations­partner. Der Beziehungsaspekt einer Mitteilung ist i. d. R. nicht explizit und fast immer mehrdeutig. Nimmt der Empfänger einer Mitteilung einen Widerspruch zwischen dem Inhalts­aspekt (etwa eine positive Aussage über das gegenseitige Verhältnis) und dem Beziehungsaspekt (der Art, wie diese Aussage getroffen wird) wahr, kann dies zu Störungen in der Beziehung führen, vor allem, wenn solche Widersprüche häufig und regelmäßig auftreten. In solchen Situationen liegen besonders starke Kommunikationsstörungen vor, in denen ein Kommunikationspartner seine Wahrnehmungen auf der Inhaltsebene bezweifeln muss, um eine wichtige Beziehung nicht zu gefährden. Die Analyse des Beziehungsaspekts ist daher v. a. bei gestörten Kommunikationsabläufen von Bedeutung.

 

Solche Kommunikationsstörungen sind bei allen o.g. Spannungsachsen mehr oder weniger stark ausgeprägt. Dies kann man an einem Beispiel der letzten Zeit vor Augen führen: Man betonnt die Abschaffung jeglicher Diskriminierung als wesentliches Kriterium der Demokrati­sierung der nachrevolutionären Staatsgesellschaft. Man plant ein Treffen der relevanten Organi­sa­tionen oder „Persönlichkeiten“ zur Gründung eines „Koordinationsrates“, die zur Überwindung der „Islamischen Republik“ und zur Demokratisierung Irans beitragen sollen. Wer nicht eingeladen wird, empfindet dies als eine schmerzhafte Diskriminierung und Ausgrenzung.

 

Man kann auch die Bejahung der „territorialen Integrität“ als zentrales Kriterium der Relevanz der infrage kommenden Organisationen betonen. Dabei wird die Zentralisierung der Staatsgesellschaft als Garant der „territorialen Integrität“ definiert. Jede Organisation, die eine Dezentralisierung des Staates nach dem Subsidiaritätsprinzip als Bedingung der Möglich­keit einer horizontalen Demokratisierung der Staatsgesellschaft betont, wird als sezessionistisch ausgegrenzt. Damit wird implizit die Forderung nach Berücksichtigung der ethnischen Vielfalt und der lokalen Zuständigkeiten nach dem Subsidiaritätsprinzip als Infragestellung der „nationalen Einheit“ stigmatisiert und entwertet, und dies obwohl die Diskriminierten die Notwendigkeit der „territorialen Integrität“ programma­tisch betonen. Hier sind die Furchtbilder der sich diskriminiert fühlenden ethnischen Gruppen maßgeblich für die Entwertung des „Föderalismus“ als Zerfallsgefahr für den Staat. Solange also diese erworbenen Emotionen nicht überwunden sind, wird eine demokratische Organisierung der Führung der revolutionären Bewegung unmöglich sein. Dies ist eines der Beziehungsprobleme, das einer Demokratisierung der Kommunikation als Bedingung der möglichen Organisation der Opposition im Wege stehen wird. Das Gleiche gilt auch für andere Hauptspannungsachsen, die sich vor allem durch die besondere Einsatzbereitschaft der jüngeren Generationen und der Frauen in ihren antiautoritären revolutionären Bewegungen manifestieren.

 

Machtbilanzabhängige Kommunikationsaspekte: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

 

Für die zwischenmenschlichen Kommunikationsabläufe ist die Machtbilanz entscheidend. Sie kann entweder symmetrisch oder komplementär sein, je nachdem ob die Beziehungen der Partner auf Machtgleichgewicht oder Machtunterschiedlichkeit beruhen.

 

In komplementären Beziehungen ergänzen sich unterschiedliche Verhaltensweisen und bestimmen den „Interaktionsprozess“, d.h. die interdependenten emotionalen, mentalen und äußeren Verhaltensweisen. Die Beziehungsgrundlage besteht hierbei im Machtunterschied der Partner. Häufig drückt sich dieses Machtdifferential in einer Unterordnung aus, d.h. der eine hat mehr oder weniger die Oberhand über den anderen und prägt den Kommunika­tionsprozess.

 

Eine symmetrische Beziehungsform zeichnet sich durch die Demokratisierung der Beziehungs­gestaltung aus. Die Partner bemühen sich, die Machtungleichheiten untereinander zu minimieren, soweit sie durch die funktionelle Demokratisierung möglich ist. Sie streben nach praktischer Machtnivellierung, nachdem sich ihre gegenseitigen Abhängigkeiten mehr oder weniger ausgeglichen haben. Diese Demokratisierung der Beziehungsgestaltung führt zu symmetrischen Kommunikationsabläufen, weil es sich um mehr oder weniger gleichstarke Partner handelt, die nach Gleichheit und Verminderung von Unterschieden streben.

 

Sind die Abläufe komplementär, gibt es immer einen "superioren" und einen "inferioren" Partner. Die Partner ergänzen sich in ihrem Verhalten. Der autoritäre Kommunikationsstil ent­spricht diesem komplementär geprägten Beziehungsmuster. Zuweilen hinkt dieser Kommu­ni­kationsstil der real abgelaufenen funktionellen Demokratisierung der gegenseitigen Abhän­gigkeiten der Menschen in ihren unterschiedlichen Funktionen hinterher. Die „konser­va­tiven“ Beziehungsgestaltungstendenzen entlang der o.g. Hauptspannungsachsen, wie z.B. die Geschlechterbeziehungen, entsprechen diesen komplementären Abläufen. Genauso verläuft die Beziehungsgestaltung der zentrifugale und zentripetale Tendenzen repräsentierenden Menschen in zunehmenden Modernisierungsprozessen der Staatsgesellschaft. Eine Störung liegt dann vor, wenn es zu einer symmetrischen Eskalation kommt, d.h. die Partner versuchen sich gegenseitig "auszustechen".

 

Die gegenwärtigen Organisationsprobleme der Oppositionellen, vor allem in Ausland, besteht in dem Versuch, die symmetrischen und komplementären Formen der Beziehungsgestaltungen miteinander zu verbinden. Die sich demokratisch verstehenden Monarchisten und die sozial-liberalen Republikaner repräsentieren diese entgegengesetzten Beziehungsmuster, trotz demokratischer Rhetorik. Es kommt zu sogenannten "doppelten Botschaften", weil sie nonverbal etwas anderes ausdrücken als sie sagen. Daraus entstehen paradoxe Handlungsaufforderungen, die die Lösung zum Problem selbst macht. Wenn die Lösung selbst das Problem darstellt, verschlimmert sich die Lage, wenn keine oder eine falsche Lösung versucht wird bzw. wenn mehr von der falschen Lösung probiert wird.

 

Erst wenn sie sich auf eine genuin demokratische Aktionseinheit für die Überwindung jeglicher Form der individuellen und gruppenspezifischen Diktatur in Iran und zur Etablierung eines säkularen parteiendemokratischen Sozialstaates in Wort und Tat einigen, besteht eine Chance einer Kooperation, die zu einem Synergieeffekt führen kann. Dazu ist eine für die moderne Gesellschaft unverzichtbare Vertragstreue unabdingbar, ohne die es keine vertrauensvolle Geschäftsgrundlage für eine demokratische Überwindung der „Islamischen Republik“ gibt. Wo eine historische Diskontinuität wie ein revolutionärerer Umbruch entsteht, kann die nachrevolutionäre Verfassung wie ein Friedensvertrag nach einem Krieg sein. Zu diesem anvisierten dauerhaften Friedensvertragsabschluss ist ein demokratischer Verfassungspatriotismus unabdingbar, der sich vom überlieferten Nationalis­mus in einem zentralstaatlich organisierten Iran unterscheidet. Die gegenwärtig unüber­sehbar wahrnehmbare regionale Ungleichzeitigkeit revolutionärer Entwicklungs­prozesse und die sich daraus ergebende unterschiedliche Opferbereitschaft der involvierten peripheren Provinzen legen eine Dezentralisierung des künftigen demokratisch verfassten Staates und des entsprech­en­den Verfassungspatriotismus unbedingt nahe.

 

Schlussfolgerung:

 

Die erfahrenen Kommunikationsprobleme verursachen auch eine„ kognitive Dissonanz“ bei Kommunikationspartnern. Diese wird als ein Spannungszustand erlebt, der auf lange Sicht nach Auflösung verlangt.

 

Die „Kognitive Dissonanz“ entsteht, wenn zwei zugleich bei einer Person bestehenden Kognitionen einander widersprechen oder sich ausschließen. Die Kooperationszwänge zwischen den Monarchisten und den Republikanern erzeugen angesichts der Lage im Iran  diesen unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der entsteht, weil ihre verbalen und nonverbalen Kommunikationsinhalte auch für sie selbst nicht miteinander vereinbar erscheinen. Aus ihrer „Zwangsehe“ entstehen also nicht nur die Kommunikation störenden "doppelten Botschaf­ten", sondern auch ihre eigene kognitive Dissonanz.

 

Eine übliche Strategie zur Überwindung der kognitiven Dissonanz besteht in der Schuld­zu­weisung. Nicht nur die Schuld für die gestörte Kommunikation sondern auch die Schuld für den eigenen emotionalen Spannungszustand wird bei jemand anderem gesucht. Dies geschieht meist in der Form, dass eigene Handlungen oder Entscheidungen als unverschuldet hingestellt werden. Gegenseitige Vorwürfe und ihre Eskalation sind die Folge, die keineswegs kommu­ni­ka­tionsförderlich sind.

 

Die Folge ist die Suche nach einem „koordinierenden Rat“, der aus „Persönlichkeiten“ um den „Prinzen“ jenseits der Parteien gebildet werden soll. Damit macht man die Lösung selbst zum Problem, denn der „Prinz“ tritt ja nicht als ein einfacher Bürger oder einer der „Celebrities“ an. Er schleppt  eine Tradition mit sich, die für die Monarchisten ein Traum aber für die Republikaner ein Alptraum ist.

Außerdem gibt es keine Parteiendemokratie ohne Parteien, die erst nach der „Befreiung“  antreten dürften. Diese Lösung würde außerdem zu einem Populismus führen, in dem die Parteien keine Chance hätten. Bekanntlich ist auch der „Bonapartismus“ die Folge einer sozialen Pattsituation gewesen, weil die Parteien sich gegenseitig ausgestochen haben.

 

Die einzig praktikable Lösungsstrategie besteht in der Bildung eines offenen Koordinie­rungsrates auf der Grundlage demokratischer Strukturprinzipien, der aus den Vertretern von im Iran und im Ausland aktiven und zur Aktionseinheit bereiten Organisationen besteht. Nach dem Prinzip – „wer die revolutionäre Bewegungen organisiert, der führt“ - wäre dieser Koordinierungsrat das einzige legitime koordinierende Organ der revolutionären Bewegung außerhalb der Reichweite des Regimes. Dieser kann zugleich die Mobilisierung der Weltöffentlichkeit organisieren und als der wahre Botschafter die revolutionäre Bewegung als Gegenmacht im Ausland vertreten. Die gegenwärtig wirkungsmächtigsten und erfahrensten Organi­sa­tionen, die im Ausland personell vertreten sind, sollten die anfängliche Koordinie­rungs­funktion für die Bildung dieses offenen Koordinierungsrates der demokratischen Oppo­si­tion übernehmen, die für eine weitere Aufnahme von kooperationsbereiten Ordinationen sorgen sollen.

 

Hannover, 08.01.2023

 

https://gholamasad.jimdofree.com/

 



[1]Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels, Watzlawick , John H Weakland, et al, 1969 Huber Verlag Bern.

 

[2]Die Persische Übersetzung dieses Beitrages finden Sie auf meiner Seite: https://gholamasad.jimdofree.com/